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Dienstag, 13. September 2011

Tante Emma war eine ehrbare Kauffrau - was ist Edeka?

In ihrem Antwortschreiben an den Bürgerkreis stellte die Dortmunder Architektin Frau Regina Bieber, deren Büro im Sinne Edekas eine Studie über die "Entwicklungsmöglichkeiten im Kernbereich" Herbedes angefertigt hatte, folgendes klar: "Um eines noch einmal deutlich zu machen; der Standort des jetzigen Edeka-Marktes wird nicht von einem „übermächtigen Konzern“ betrieben, der nur seine Interessen durchsetzt. Der Betreiber ist ein privater Einzelhändler, die „Tante Emma“ der heutigen Zeit, belegt mit allen Risiken und Kosten dieses Geschäfts und wie alle anderen kleinen Einzelhändler im Ort, muss er nicht nur die Ware kaufen, sondern ihm gehört auch die komplette Einrichtung des Ladens. Das bedeutet, er ist allein und voll im Risiko. Er beurteilt und entscheidet was er an dem Standort macht und wie er zukunftsfähig arbeitet. Die Edeka ist eine Genossenschaft, sie unterstützt den Händler und hilft bei der Finanzierung." So ähnlich steht es auch in den Werbetexten von Edeka. Wie aber sieht die Realität aus? Haben die Einzelhändler bei Edeka wirklich etwas zu sagen?

Am 05.07.2011 berichtete das Hamburger Abendblatt darüber, dass innerhalb der Hamburger Supermarkt-Gruppe Edeka der Widerstand gegen die eigene Billigtochter Netto Marken-Discount wachse. Nach Informationen des Abendblatts empfinden immer mehr selbstständige Händler den massiven Expansionskurs des Discounters als schädlich für das eigene Geschäft. "Netto wird für die Genossen zu einer ernsthaften Bedrohung", sagte ein Edeka-Händler dem Abendblatt. Das Abendblatt berichtet ferner, dass Netto die Zahl der eigenen Geschäfte in den kommenden Jahren um rund 1000 auf 5000 erhöhen wolle. Bereits heute sei die Kette der zweitgrößte deutsche Discounter hinter Aldi. Ein anderer Edeka-Händler sieht sich durch einen neuen Netto-Markt in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sogar in seiner Existenz gefährdet. "Dieser neue Konkurrent wird mich 30 bis 50 Prozent meines Umsatzes kosten", sagt er. Die Hamburger Edeka-Zentrale wolle sich zu dem Streit im eigenen Haus nicht äußern, grundsätzlich aber werde der Expansionskurs von Netto in der Zentrale als Erfolg eingestuft.

Der Edeka-Einzelhändler am Ort - im Griff des Konzerns. Wenn der Edeka-Markt tatsächlich Umsatzrückgänge haben sollte, dann liegt dies höchstwahrscheinlich nicht an der Anziehungskraft der großen Supermarkt-Verkaufsflächen in Heven oder woanders, sondern daran, dass der renovierte Edeka.Netto-Discounter in Herbede, der keine größere Verkaufsfläche hat als der Edeka-Markt, dem Edeka-Markt Kunden weglockt. Was ist dies anderes als Kannibalismus?

Tante Emma war eine ehrbare Kauffrau, aber was ist Edeka?

Edeka liebt Lebensmittel. Wer mit Edeka einen Vertrag schließt, verpflichtet sich, den überwiegenden Teil seiner Waren bei Edeka einzukaufen. Eine freie Entscheidung wird dem Händler nur in einem sehr kleinen Rahmen gewährt. Besonders eng wird es für den Händler, wenn er nicht genügend Eigenkapital vorweisen kann, denn dann werden ihm auch Details diktiert. Nicht umsonst heißt es wohl, Edeka verdiene sein Geld nicht mit Lebensmitteln, sondern mit dem Verleihen von Geld.

Im Grunde wäre eher Solidarität mit dem Betreiber des örtlichen Edeka-Marktes angebracht, weil ein größerer Laden möglicherweise eine noch größere Verschuldung und noch größere Abhängigkeit nach sich ziehen würde. Und die wünscht ihm ja niemand. Und natürlich bleiben die Händler dem Konzern gegenüber zur Rückzahlung verpflichtet, auch wenn sich der Konzern schon längst für einen neuen Nachfolger entschieden hat und das Spiel, ohne Risiko für den Konzern, von vorne beginnen kann. Aber welcher tüchtige Edeka-Geschäftsmann gibt schon zu, dass ihm die wichtigsten Entscheidungen über sein Handeln aus der Hand genommen wurden?

Es ist besonders fatal, dass ausgerechnet die SPD dieses Konzept unterstützt und will, dass "unser Edeka-Händler" einen größeren Laden in Herbede übernimmt (1.200 m2 Verkaufsfläche). Damit treibt sie einen Händler möglicherweise tief in eine Schuldenfalle hinein. Wären für die SPD-Fraktion und für die Verwaltung die Frage einer größeren Verkaufsfläche wirklich ein entscheidendes Argument für die Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelmarktes im Gerberviertel, um Kunden nicht nach Heven(1.500 m2 Verkaufsfläche) und Bommern (1.800 m2 Verkaufsfläche) abwandern zu lassen und die Kaufkraft im Stadtteil zu behalten, müssten sie eigentlich darauf bestehen, dass Herbede, der größte dieser drei Stadtteile, nicht den kleinsten Vollsortimenter bekommt - oder? Aber da sie dies nicht tun, sich auch keine Gedanken darüber machen, ob sich Stadtteilplanung auf eine derart undurchsichtige und unberechenbare Konzernstrategie stützen darf, nehmen wir an, dass es um etwas anderes geht: Es geht im Grunde nicht um Discounter oder Vollsortimenter und die Frage der Stärkung oder des Niedergangs des Zentrums, sondern um das Filet-Grundstück im Gerberviertel und die Wölfe, die sich um die besten Stücke raufen oder ihren Kopf aus einer Schlinge ziehen wollen. Dann schauen wir mal nach ...