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Dienstag, 11. Oktober 2011

Leere Kassen in Witten und die Stolpersteine der Demokratie

Nicht Prestigeobjekte aus besseren Zeiten, wie etwa Hallenbäder, seien der Grund für die Schuldenkrise, sagte der Landrat Armin Brux (SPD) anlässlich einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates (Kommunalfinanzen Leere Kassen Gefahr für die Demokratie, Der Westen, 10.10.2011). Immer mehr Geld müsse aufgewendet werden, um die Risiken des Lebens der Menschen abzufedern. Die Soziallasten im Kreis seien vom Jahr 2006 bis 2011 um 38,4 Prozent gestiegen. Immer neue Aufgaben kämen auf die Kommunen hinzu. Er nennt Beispiele. Das Problem sieht er im "Umverteilungskampf um die Steuergelder der Bürger zwischen Bund, Land und Kommunen".

Verkauf des Grundstücks im Gerberviertel löst nicht das Finanzproblem von Witten

In einer prekären Finanzlage befindet sich auch Witten und "löst" das Problem auf seine Weise, wobei man nicht von Problemlösung, sondern von Problemschaffung oder Problemverstärkung sprechen muss.
Die Stadt verzettelt sich in einer sinnlosen Konfrontation mit den Herbeder Bürgern beim Verkauf des städtischen Grundstücks im Gerberviertel.
Die eigentlichen Beschlüsse zum Verkauf des Grundstücks wurden nach Herrschaftsart irgendwo hinter irgendwelchen Mauern gefasst. Deren Umsetzung wurde dann angeordnet: Ausschüsse und Rat sollten die Vorlagen absegnen. Dieser Plan misslang.
Die Alternativvorschläge der Bürger, die der Stadt finanziell sogar hätten nutzen können, wurden mit einem hohen Maß an Energie und Zeitaufwand bekämpft. Acht (!) Jahre dauert mittlerweile dieser Kampf mit der Stadt Witten. Der Verkauf des Grundstücks im Gerberviertel an einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, der zurzeit einen höheren Grundstückspreis zahlt als ein Investor für Wohnbebauung, bringt der Stadt kurzfristig Geld in die Kasse, aber voraussichtlich auch neue Sozialfälle, wenn, wie zu vermuten ist, durch ein großflächiges Einzelhandelsgeschäft Arbeitsplätze in der Meesmannstraße verloren gehen. Die Auswirkungen müssten analysiert werden, aber dafür interessiert sich die Stadt nicht, denn sie behilft sich mit der Glaubensfrage und glaubt, es werde schon alles gutgehen.

Gefahr für die Demokratie

Es sind weniger die leeren Kassen der Kommunen, die zu einer Gefahr für die Demokratie werden könnten, wovor der Landrat warnt, sondern die Unfähigkeit der Parteien und der Verwaltung vor Ort, auf ihre gewohnten Instrumente der Machtausübung zu verzichten, die angesichts leerer Kassen und selbstbewussterer Bürger auf Widerstand stoßen. „Zeitbombe Kommunalfinanzen": „Alle Sparmaßnahmen müssen scheitern“, weil die Sozialkosten die Kommunen immer stärker belasten. 75 Prozent sei deren Anteil im Haushalt des Ennepe-Ruhr-Kreises.
Armut und leere Kassen sind weder Quelle von Kriminalität, man wird die großen Banken, die mit Milliarden Steuergeldern jonglieren dürfen, und Banker ja schlecht als arm bezeichnen können, noch eine Gefahr für die Demokratie. Die Entwicklung einer Gefahr für die Demokratie beobachten wir dagegen in unserem Stadtteil:
Es gelingt den Entscheidungsträgern der Stadt nicht, in dieser Zeit, in der sie, ähnlich wie die Bürger, Opfer von Umverteilungskämpfen ist, Solidarität mit den Bürgern herzustellen. Im Gegenteil, sobald sie Widerstand bei den Bürgern spüren, kommt der Herr-im-Hause-Standpunkt voll zum Durchbruch: Gemeinsam bei Workshops und Bürgerversammlungen gefasste Beschlüsse werden ignoriert, Versprechen gebrochen, es wird getrickst, gespalten und mit eindeutigen Falschmeldungen versucht, über die Presse die Bürger zu beeinflussen. Aus dem Wunsch nach Bürgerbeteilung reagiert die Stadt mit Selbstverteidigung. Und dieses Vorgehen einer Stadt gegen ihre eigenen Bürger soll ein Vorbild in Sachen Demokratie sein?
Wir beobachten, dass sich Bürger schweigend und resigniert zurückziehen ("Die tun ja doch, was sie wollen"). Eine teuer erkaufte Ruhe und eine fatale Entwicklung für die Demokratie.
Die größte Gefahr für die Demokratie sind nicht die leeren Kassen, sondern die kleinen Diktatoren, die man ungeniert ihre Übungen in Sachen Befehl und Gehorsam weiter absolvieren lässt, bis vielleicht die großen Diktatoren kommen und die derart eingeübte Demokratie einfach übernehmen.
Wie war das noch mit der Durchholzer Grundschule? Oder damit, dass sich ein reicher Bürger eine 30-er Zone kaufen konnte? Welche Narben hinterlässt der Sieg der Verwaltung bei den Bürgern? Stolpersteine der Demokratie.