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Mittwoch, 19. Oktober 2011

Herbede und das Gerberviertel - International

Foto: Tina Kaiser, WELT Online
"Der Kampf der Kleinstadt gegen den Supermarkt", lautet die Überschrift eines Artikels in WeltOnline, vom 16.10.2011

Damit ist nicht das über 1150 Jahre alte Herbede, bis 1975 selbständig, heute Stadtteil von Witten, gemeint, es geht nicht einmal um eine deutsche Kleinstadt, sondern um das mittelalterliche Städtchen Hadleigh, anderthalb Autostunden nordöstlich von London. In dieser weitgehend unter Denkmalschutz stehenden Gemeinde war ein Riesensupermarkt geplant: 1999 kaufte Tesco die als Gewerbegebiet ausgewiesene Brachfläche und legte Pläne für einen gigantischen Konsumtempel vor. "Uns war sofort klar: Das wäre der Tod für unsere Dorfgemeinschaft" - und der Ort machte mobil.


Während in Großbritannien derzeit über 100 Kampagnen von Gemeinden gegen die Ansiedlung eines neuen Supermarktes laufen, herrscht in Deutschland scheinbar Ruhe. Dort hat sich eine Protestbewegung gegen die Marktmacht der Konzerne gebildet, an deren Spitze die Organisation Tescopoly steht. In Deutschland gibt es offenbar keine vergleichbare Bewegung, und Herbede scheint leider eine Ausnahme zu sein. Ihm sei kein vergleichbarer Fall in Deutschland, zumindest im südwestfälischen Raume, bekannt, in dem ein Ort derart hartnäckigen Widerstand gegen die Ansiedlungspläne eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes leiste, sagte Klaus Willmers, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Südwestfalen.


Ähnlich wie in Hadleigh sind es auch in Herbede die Bürger, die sich gegen die Ansiedlungspläne von Lebensmittelkonzernen zur Wehr setzen. Die bisherigen Umfragen seit 2003 haben ergeben, dass sich etwa zweidrittel der Bürger für den Erhalt des Zentrums aussprechen, keine Ansiedlung eines großflächigen Lebensmitteleinzelhandels wünschen, sondern das derzeitige Angebot (drei umsatzstarke Lebensmittelsupermärkte im Zentrum mit einer Verkaufsfläche von jeweils ca. 600 m²) für ausreichend halten.
Ähnlich wie im Falle Tesco hieß es auch über Lidl, dass, wenn Lidl beschlossen habe, einen Standort zu besetzen, sich die Übernahme des Standortes vielleicht zwei Jahre hinausschieben ließe, länger nicht. Die Auseinandersetzung mit Lidl spielte sich in Herbede vor acht Jahren ab – die Prophezeiung ging bis heute nicht in Erfüllung. Dass sich der lange Atem auszahlen kann, beweist auch der Fall der Kleinstadt Sheringham, die 125 Kilometer nördlich von Hadleigh liegt.
Im Unterschied zu Hadleigh findet Herbede leider keine Unterstützung bei der Verwaltung. Im Gegenteil: Die Stadt ignoriert die mit den Bürgern gemeinsam gefassten Beschlüsse, fällt den Bürgern und Kaufleuten Herbedes in den Rücken, um das städtische Grundstück im Gerberviertel an einen zahlungskräftigen Lebensmittelkonzern verkaufen zu können. In Großbritannien dominieren Tesco und die anderen großen Ketten Asda, Sainsbury's und Morrisons 75 Prozent des Einzelhandels und 97 Prozent des Lebensmittelmarktes - in Deutschland beherrschen die vier Großkonzerne Rewe, Edeka, Lidl und Aldi 80 Prozent des Lebensmittelmarktes.

Wird es nicht langsam Zeit für einen „Lidlopoly“ oder "Edekopoly"?

Der Artikel in Welt, 16.10.2011 ist lesenswert.