Angesichts der Studienergebnisse zum Übergewicht der Deutschen und den daraus resultierenden Erkrankungen müßte logischerweise zwingend gefordert werden, dass Angebot aus Gründen der "Volksgesundheit" eher zu verringern. Schließlich leben wir nicht in einer Mangel- sondern in einer Überflussgesellschaft.
Zum Konsumverhalten des westeuropäischen Wohlstands- und Verschwendungsbürgers läuft nicht nur seit dem 8.9.2011 den Film "Taste the Waste" von Valentin Thurn, sondern es erschien vor kurzem im SPIEGEL auch ein Essay von Harald Welzer, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Witten/Herdecke, aus dem ich auszugsweise zitieren möchte:
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: "Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung."Das gefühlte Menschenrecht auf einen Lebensstandard, der vier Urlaubsreisen pro Jahr, drei Autos pro Familie und das tägliche Wegwerfen von Nahrungsmitteln in aller Selbstverständlichkeit voraussetzt, hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 jedenfalls nicht im Sinn, als sie Artikel 25 verabschiedete. Tatsächlich besteht das "Höchstmaß an Opferbereitschaft" unter Deutschlands Eliten heute wohl vor allem darin, bis zu zwölf Monate auf die Auslieferung des bestellten Porsche Cayenne warten zu müssen.
In deutschen Haushalten finden sich mehrere Flatscreens, eine Klimaanlage, ein amerikanischer Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter (falls mal Dean Martin vorbeikommt) und überhaupt eine sogenannte Landhausküche, mit deren technischer Ausrüstung man auch zwei vollbelegte Jugendherbergen versorgen könnte. Die Menge an gekaufter Kleidung hat sich in der westlichen Welt in nur einem Jahrzehnt verdoppelt. Die Ikearisierung der Welt, also die Verwandlung langlebiger Konsumgüter in kurzlebige, schreitet mit irrsinniger Geschwindigkeit voran. Die Nutzungszeit bei elektronischen Geräten verkürzt sich rasant, den unermüdlichen Steve Jobs und Bill Gates sei Dank, und mittlerweile werden in den USA 40 Prozent und in Europa 30 Prozent der Nahrungsmittel als Dreck entsorgt, weil sie nur noch gekauft, aber nicht mehr gegessen werden. All dies mit sich machen zu lassen und seine Welt mit Plunder vollzustellen darf in den reichen Gesellschaften als gefühltes Menschenrecht gelten.
Von der Globalisierung heißt es, sie entwickle allgemeinen Wohlstand, lasse neue Mittelklassen entstehen und reduziere soziale Ungleichheit und Armut. Der Stand der Dinge: Ein Siebtel der Menschheit ist unterernährt, zwei Milliarden Menschen haben keine ausreichende medizinische Versorgung, eine Milliarde hat keinen Zugang zu sauberem Wasser, mehr als 200 Millionen Kinder sind Soldaten, Prostituierte, Wanderarbeiter und Teppichknüpfer.
Und wenn man davon spricht, dass die Leitkultur des Verbrauchs und der Verschwendung, der die westlich geprägten Industrieländer frönen, zurückgeführt werden müsse auf ein überlebensverträgliches Maß, kriegt man zu hören, man könne doch den nachrückenden Gesellschaften nicht den Lebensstandard verwehren, den man für sich selbst in Anspruch nehme.
Dieses Argument ist ideologisch, weil es füglich davon absieht, wie riesengroß die Unterschiede in den Lebenslagen und natürlich im Ressourcenverbrauch weltweit sind, und weil die immer wiederholte Behauptung, alle wollten so sein wie wir, nichts anderes ist als eine psychologisch leicht durchschaubare Legitimation unseres idiotischen Lebensstils: Wenn alle das nachmachen, muss es richtig sein, auch wenn die Zukunft dabei draufgeht.
gk