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Donnerstag, 5. April 2012

Rathausärzte wollen "wohnortnahe Komplettversorgung" - rund um ihr Ärztehaus?

Nun melden sich auch zwei Herbeder Ärzte zum Thema Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelsupermarktes im Gerberviertel zu Wort, Dr. Arne Meinshausen und Dr. Michael Mönks (Leserbrief in der WAZ, "Wohnortnahe Komplettversorgung", 03.04.2012). Sie haben das alte Rathaus vor etwas mehr als einem Jahr bezogen. Im Zentrum hatten sie keinen geeigneten Platz gefunden.
Ärztezentrum - ehemaliges Herbeder Rathaus
So weit, so gut.
Womit weder der Bürgerkreis, der Heimatverein und die damalige Werbegemeinschaft (als der Vorsitzende der Werbegemeinschaft noch nicht personalidentisch mit dem Leiter des Edeka-Marktes war) gerechnet haben, ist, dass die anfängliche, sympathische Sorge der Ärzte um die möglichen Folgen des Ärztehauses für das Zentrum sich in ihr Gegenteil verkehren würde.

Die Rathausärzte begrüßen nun in einem Leserbrief den Beschluss der Fraktionen von SPD, Grünen und CDU "zur Ansiedlung eines Frischemarktes im Gerberviertel". Die Folgen für das Zentrum nehmen sie wissentlich oder unwissentlich in Kauf: Durch die Ansiedlung wird der mittelständische Einzelhandel in der Meesmannstraße nicht überleben, sagt die CDU (siehe: Zweifel bei der CDU an der anstehenden Gerberviertel- Entscheidung oder der Versuch einer Klientel- Politik?).

Zumindest die 59 Kaufleute, Einzelhändler, Dienstleister und Immobilieneigentümer, die zuletzt in einem öffentlichen Schreiben gegen den Beschlussvorschlag der SPD protestiert hatten, wundern sich, warum Ärzte, deren Aufgabe darin besteht, Menschen zu heilen,   den Abbau beruflicher Existenzen und Arbeitsplätzen in Herbede   in Kauf nehmen. Ist die Ökonomisierung der Medizin so weit voran geschritten, dass die Ärzte eine "wohnortnahe Komplettversorgung", so lautet die Überschrift des Leserbriefes, für ihr Ärztezentrum anstreben müssen? Hinter dem Ärztehaus befindet sich immerhin schon eine große Apotheke.
Diese "politisch korrekte Positionierung" der Rathausärzte dürfte wohl ein einmaliger Vorgang sein!

"Rathaus"
Es hat sich weit über Witten hinaus herumgesprochen, dass die Entscheidung für die Ansiedlung bzw. Umsiedlung eines "Vollsortimenters" ausschließlich politisch motiviert ist! Warum schlagen sich diese beiden Ärzte auf die Seite der Supermarkt-Koalition? Ihre Verdienste für den Stadtteil sind unbestritten. Ist ihnen aber nicht bewusst, dass sie damit möglicherweise einen fragwürdigen Platz in der Geschichte Herbedes einnehmen könnten, sollte das Bürgerbegehren nicht erfolgreich sein?                                                                    Medizinern sind pathologische Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung bestens vertraut. In der Stadt- und Zentrenplanung gelten diese ähnlich. Auch hier führen negative Anlässe zu pathologischen Wirkungen, die, je nach Problemlage, nicht zu revidieren sind. Die Entscheidung um die es hier geht, kann auch hier nicht aus dem Bauch, aus der Gefühlslage getroffen werden. Entsprechende Gutachten, Fachliteratur und Stellungnahmen von IHK und Bürgerkreis  liegen vor, denen man sich hätte bedienen können. Auch eine Kontaktaufnahme mit entsprechenden Stadt-/ Raumplanern des Bürgerkreises vorab wäre ebenfalls hilfreich gewesen. Dies wäre richtig gewesen, ist aber nicht passiert, schade.
Die Ärzte sollten sich über die Bedeutung ihrer Worte für den Stadtteil im Klaren sein und daher mehrfach abwägen, bevor das fachliche Territorium verlassen wird. Was ist übrigens mit dem Piepser, der die Patienten aus dem Zentrum rufen soll?

(Nachwort, Karfreitag, 06.04.2012: Im übrigen lässt der am heutigen Karfreitag verteilte Flyer des Edeka-Konzerns keine Zweifel, welche Auswirkungen dieser Markt auf das Zentrum und wohl auch auf das Café im Medizinzentrum haben wird. Jetzt doch mit Bäcker, Gastronomie, weniger Parkplätzen und dafür mehr Verkaufsfläche?)



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Diagonal im Bild verläuft die stark befahrene Wittener Straße, die das gewachsene Zentrum vom Gerberviertel trennt. Sie gilt auch heute noch als "Zäsur". 
Dominik Grütter, der Leiter des Edeka-Marktes spricht simpel aus, was die Supermarkt-Koalition denkt: Wer gegen die "Verschiebung" des Zentrums ist, ist ein Gegner (Grütter, in: Image, April 2011). 

>>> Siehe auch: Herbeder Rathausärzte - Wie Patienten zu Kunden werden (Beitrag von munkel)