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Montag, 16. Januar 2012

Was Kunden wollen - Liegt Edekas Logistikkonzept noch im Trend?

Nach einer Emnid-Umfrage für das Ministerium achten 48 Prozent der Bürger darauf, dass Lebensmittel aus einer bestimmten Region kommen. 45 Prozent kaufen regionale Waren auf dem Wochenmarkt, 41 Prozent direkt beim Bauern, sagte die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in einem Interview mit "Bild". Das Interview mit "Bild" ist direkt auf der Homepage der Bundesregierung nachzulesen. (Ilse Aigner: Verbraucher besser vor Täuschungen schützen, www.bundesregierung.de)
Zur Sache:
Wenn es diesen Trend der Kunden zu regional erzeugten Nahrungsmitteln gibt, was auch aufgrund von Umsatzentwicklungen nicht bezweifelt werden kann, “weil sie kurze Wege wollen und den Bauern ihrer Region vertrauen”, laut Umfrage sogar 79 Prozent der Verbraucher bereit sind, mehr Geld für regionale Lebensmittel auszugeben, warum in aller Welt rennen die Fraktionen einem veralteten Vertriebsmodell hinterher und gefährden den Fortbestand eines ganzen Stadtteilzentrums, um einen großflächigen Edeka-Lebensmittelsupermarkt in Herbede zu errichten?

Edekas Logistikkonzept

Unter der Überschrift "Wir würden uns wieder so entscheiden!" erklärt Edeka sein logistisches Konzept, das so gar nichts mit dem Trend, der in der Emnid-Umfrage festgestellt wurde, zu tun hat. Kein Wunder, denn dieses Konzept ist vermutlich mehr als 10 Jahre alt. Zahlreiche Skandale in der Lebensmittelindustrie, wachsendes Umwelt- und Sozialbewusstsein haben inzwischen das Einkaufsverhalten der Kunden nachhaltig verändert, aber ein Lebensmittelkonzern kann sein logistisches Konzept nicht so einfach aufgeben. Also tritt Edeka die Flucht nach vorne an, wobei vorne möglicherweise nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit ist. Das wird sich noch herausstellen.

Mitte November 2008 stellte Edeka über fünfzig hochrangigen Logistikverantwortlichen von Handelsunternehmen aus zehn verschiedenen europäischen Ländern sein Logistikkonzept vor und gewährte einen Einblick in die Abläufe und den Materialfluss des rund 90.000 m2 großen Distributionszentrums.

Voller Stolz erklärte Thomas Kerkenhoff, Leiter Logistik und Organisation der Edeka – Rhein-Ruhr:
"An Spitzentagen verlassen rund 480.000 Handelseinheiten das Zentrallager“ ... „Die neuen Wege in der Lebensmittellogistik führen uns zu signifikanten Wettbewerbsvorteilen – bessere Verfügbarkeit im Markt, weniger Fehlerartikel, größere Sortimentskompetenz, weniger Kosten, mehr Umsatz, größere Marktanteile und was das wichtigste ist - zufriedene Kunden – den(n) wir lieben Lebensmittel“.
Außerdem erwähnte Kerkenhoff die hohe Verfügbarkeit der Anlage rund um die Uhr.

Als erstes deutsches Unternehmen setzte die Edeka Regionalgesellschaft Rhein-Ruhr im Zentrallager in Hamm-Rhynern auf die Witron-Lösung OPM (Order Picking Machinery). Diese Technologie bewirkt, dass in der gesamten innerbetrieblichen "Supply Chain" ein automatisiertes "Warenhandling" ohne Personaleinsatz vom Wareneingang bis zum Warenausgang möglich ist.

Die Erwartungen hätten sich erfüllt, sagte Kerkenhoff. „Die komplette Supply Chain vom Wareneingang über die Kommissionierung bis hin zu den Arbeitsabläufen in der Filiale konnten durch die Witron-Lösungen optimiert werden."

Vielleicht ist es jetzt ein wenig besser zu verstehen, warum der Standort in der Meesmannstraße aus der Sicht Edekas nicht optimal ist und, damit Edekas System funktioniert, gegen einen Lebensmittelsupermarkt, der dem logistischen Konzept entspricht, ausgewechselt werden muss. Dass für Edeka die Berfürchtungen ortsansässiger Einzelhändler und besorgter Stadtplaner nicht zählen, liegt auf der Hand.

Wer mehr darüber erfahren möchte, kann dies auf der Homepage von Edeka nachlesen: Logistiktag 2008

Ein kurzer Überblick über Details des Kommissionierlagers in Hamm:

Edeka hatte für 2008 geplant, in Hamm 85 Millionen Kolli (Artikeltransportwagen) auf 3 Millionen Ladungsträger zu kommissionieren.
  • In Hamm werden 24 hochdynamische Beladestationen eingesetzt, welche dort im Trockensortiment mit einer durchschnittlichen Kommissionierleistung von etwa 400 Picks pro COM pro Stunde vollautomatisch Handelseinheiten optimiert auf Rollwagen bzw. Paletten schichten. 2008 wurden etwa 11.000 verschiedene Artikel im OPM-System verwaltet.
  • Kleinvolumige Handelseinheiten wie Tabakprodukte, Spirituosen oder Drogerie- und Kosmetikartikel werden an zwanzig Arbeitsplätzen mit dem Witron-Behälterkommissioniersystem DPS (Dynamik Picking System) kommissioniert. DPS arbeitet nach dem Prinzip Ware-zum-Mann. Die Artikel befinden sich, abhängig von der Auftragsstruktur, permanent bzw. bedarfsgerecht in der "Pickfront", wodurch diese stets optimiert sei. Das "Replenishment" der Kommissionierzonen erfolge ausschließlich systemgesteuert durch Regalbediengeräte. Edeka erreicht mit diesem System aktuell eine hohe durchschnittliche Pickleistung von 500 Picks pro Stunde pro Arbeitsplatz bei minimalster Fehlerquote (gemeint ist ein Roboterarbeitsplatz!).
    DPS ermögliche die "versandgruppengenaue Kommissionierung für eine schnelle Verräumung in der Filiale".
    Des weiteren habe sich für Edeka der hohe Transport- und Diebstahlschutz durch Stapelung und Bedeckelung der Behälter äußerst positiv ausgewirkt. Rund 5.500 verschiedene Artikel werden im DPS gelagert und kommissioniert.
  • Im Frischecenter, im Tiefkühllager sowie im Sperrigteilelager arbeitet Edeka mit einem Pick-by-Voice-System, welches an das Lagerverwaltungssystem angebunden ist. In diesen Bereichen kommissionierten 2008 etwa 150 Mitarbeiter manuell, aber, "bedingt durch den Expansionskurs der Edeka" sei gerade hier der Durchsatz so angestiegen, dass auch dort die Implementierung der vollautomatischen COM-Maschinen schon wirtschaftlich wäre. „Insofern stünden wir einem Einsatz von OPM auch in diesem Bereich durchaus positiv gegenüber“, so der für den Standort Hamm zuständige Edeka-Betriebsleiter.
"Das internationale Teilnehmerfeld zeigte sich während des Rundganges von der Leistungsfähigkeit und Praxistauglichkeit der Systeme beeindruckt."
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Man kann den Stolz der Ingenieure vielleicht verstehen, das Team gehe "mit der Anlage so pflichtbewusst um, als wäre es ihr eigenes Baby". Aber es ist nicht das Baby der Kunden und der vielen kleinen Einzelhändler in den Städten und Stadtteilen. Sie sind nicht von der Technik beeindruckt, sondern von den Folgen der Technik, die nicht nur das Einkaufsverhalten verändern, sondern auch das soziale Leben in den Städten.

Neuere Trends zeigen die Grenzen des Wachstums- und Größenwahns, sie haben möglicherweise das Konzept der vollautomatisierten Großlager bereits überholt.

Quellen:

Weiterführende Literatur: