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Mittwoch, 2. November 2011

Thema: Ladenleerstände in Herbede und die Sorgen der SPD-Ortsvereine

Besorgt zeigt sich Georg Klee, SPD-Mitglied und für den Stadtteil Herbede im Rat, vor einem leeren Laden in Herbede (SPD-Umfrage. Bürger sorgen sich um Handel in Herbede, 22.08.2011, Ruhr Nachrichten). Ein Bild des Jammers. Aber welchen Grund gibt es, darüber traurig zu sein, dass Schlecker, der diesen Laden betrieb, ausgezogen ist?

Schlecker ist doch seit vielen Jahren für seine rüden Methoden gegenüber Mitarbeitern bekannt, und möglicherweise haben die Kunden in Herbede sogar bewusst dazu beigetragen, dass die Filiale in Herbede zu den Filialen in Deutschland gehört, die geschlossen wurden oder noch schließen werden. Konsumenten entscheiden mit!
Seit 2011 macht Schlecker, die mit rund 8000 Filialen größte Drogeriemarktkette Deutschlands, das dritte Jahr in Folge Verlust und wird nach eigenen Angaben noch weitere 500 bis 800 Filialen schließen.

Diesen Schlecker-Leerstand demonstrativ vor der Kamera als Zeichen eines Niedergangs des Herbeder Enzelhandels in Szene zu setzen, ist nicht seriös. Klee weist nicht darauf hin, dass große Filialisten wie Schlecker, die zunehmend den Markt beherrschen, zwar den Anspruch erheben, ein Nachbarschaftsladen zu sein (Lars Schlecker: "In kleinen Orten sind wir für die Menschen Supermarkt, Apotheke, Drogerie und Treffpunkt in einem. Wir wollen der nette Nachbar sein, zu dem man auch in Bademantel und Schlappen auf einen Schwatz geht.", in FAZ, 13.06.2011), ihren Erfolg aber nicht an Kriterien der Nachbarschaftlichkeit, sondern ausschließlich an neokapitalistischen, betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen festmachen. Werden die nicht erfüllt, geht der Filialist und sucht sich einen anderen Ort, an dem er seine Gewinne optimal realisieren zu können glaubt, zu Lasten der aufgegebenen Nebenzentren und der netten Nachbarn.
Darauf hat Klee mit seinem Fingerzeig aber nicht hinweisen wollen.

Viele Filialisten setzen von vornherein Untergrenzen bei den Einwohnerzahlen. So geht beispielsweise "Ernstings Family", auf die der eine oder andere hofft, nicht in Orte unter 15.000 Einwohner.

Wenn also die Nahversorgung in kleineren Zentren, mit einer guten Erreichbarkeit der Geschäfte, weiterhin funktionieren soll, dann müssen sich Verwaltung und Stadtplanung einiges einfallen lassen, wie sie die Zentren nachhaltig stabilisieren und zukunftsfähig machen wollen.

Der Ortsverein der SPD in Herbede fordert dazu auf, "die Strukturen und Nutzungen in der Meesmannstraße neu zu erfinden.“ Leider sagt er nicht, wen er dazu auffordert. Die Verwaltung? Die Filialisten? Die Bürger? Sich selbst? Und was muss die Meesmannstraße nach Meinung Herrn Klees neu erfinden?

Wie ist die Ausgangssituation in Herbede wirklich?

In Herbede gibt es einige wichtige Unterschiede im Vergleich zu anderen Stadtteilen in Witten und auch außerhalb Wittens, beispielsweise bei der Entwicklung der Leerstände.
Die Zahl der Betriebe befindet sich, nach einer zwischenzeitlichen Zunahme bis 2007, im Jahr 2010 wieder auf dem Stand des Jahres 1996. Damals wie zum Zeitpunkt der Erhebung 2010 gab es 41 Betriebe. In Annen sank die Zahl der Betriebe von 1996 bis 2010 von 64 auf 39, in Stockum von 28 auf 20, in Bommern von 30 auf 20 Betriebe.

Zum Vergrößern bitte Bild anklicken.

Stadt+Handel fasst als Ergebnis zusammen:
"Das Nebenzentrum Herbede hat sich mit - weiter zu beobachtenden - Schwankungen im Wittener Vergleich als einziges Nebenzentrum sowohl hinsichtlich Verkaufsflächenausstattung als auch in der Betriebsanzahl stabil gezeigt."
Warum sollte man diese (relative) Stabilität zerstören?
Im Jahr 2011 sind im oberen Teil der Meesmannstraße zwar weitere Leerstände hinzugekommen (Schlecker, Thiele), dennoch besteht kein Grund, ein Wehgeschrei anzuheben. Für beide Läden gibt es Interessenten, mit denen zurzeit Gespräche geführt werden.
Schwierig ist seit Jahren dagegen die Situation im mittleren und unteren Teil der Meesmannstraße. Aber auch hier muss sich die Meesmannstraße nicht "neu erfinden", sondern, gemeinsam mit den Immobilieneigentümern und mit Unterstützung der Verwaltung, des Einzelhandelsverbandes, der Industrie- und Handelskammer und auch der Handwerkskammer nach Lösungen suchen. Mit einem kleinen Werbeschild (steht verdeckt bei Erdelmann) oder mit Profilierungs-Annoncen ist es nicht getan. Es wäre sinnvoller, die Kaufleute setzten sich endlich zusammen und entwickelten ein gemeinsames Zentrum-Konzept, von dem alle partizipieren könnten. Der existenzielle Druck dürfte inzwischen groß genug sein.

Zugegeben, das bedeutet viel Arbeit, und für manchen Politiker, vielleicht auch für den einen oder anderen Ladenbesitzer, scheint es erfolgsversprechender zu sein, auf jeden Fall einfacher, das Zentrum mal eben in das Gerberviertel zu verschieben und auf jemanden zu hoffen, der ihnen die Kartoffeln aus dem Feuer holt.

Die Zahl der Betriebe im deutschen Einzelhandel nimmt insgesamt weiter ab, so dass Herbede überraschend gut aufgestellt ist. Die Zahl der Einwohner ist in Herbede von ca. 15.000 auf 13.700 Einwohner gesunken. Die Einzelhandelsstudie von Stadt+Handel belegt an nachprüfbaren Zahlen, dass in dem für das Neben- und Nahversorgungszentrum relevanten Nahversorgungsbereich im Wesentlichen keine Veränderung des Angebotes zu verzeichnen (ein Vollsortimenter und zwei Lebensmitteldiscounter) ist.
Aber darüber wollen die Ortsvereine der SPD zurzeit nicht diskutieren.

Nachdem sich die Gefahr einer Unterversorgung durch Ladenleerstände als Fiktion herausgestellt hat, gilt es, einer weiteren Fiktion ein Ende zu bereiten:

Besonders interessant ist die Frage nach der Versorgung mit Lebensmitteln. Verlassen die Kunden Herbede, weil sie in den Nachbarzentren modernere und größere Verkaufsflächen vorfinden? Dies behaupten jedenfalls die SPD-Ortsvereine und die Verwaltung.
Das Ergebnis der Studie:
Die Ladenleerstände in Herbede bieten keinen Grund für Sorgen um den Handel, aber Kaufleute, Immobilieneigentümer und die Verwaltung müssen sich gemeinsam mehr um die zukünftige Entwicklung des Stadtteils kümmern.